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Theaternatur 2021 Que[e]r durch den Wald

Ich habe schon eine lange Zeit keine Berichte mehr auf dem Blog verfasst. Das lag zum einen natürlich an den Auswirkungen der Corona-Pandemie, aber auch an mir selbst und meiner gesamten Einstellung zum Schreiben. Nun ja, es ist für mich immer noch keine leichte Zeit, da ich (vielleicht viel zu) kritisch mich und meine Texte hinterfrage und mich auch öfter mit den Gedanken konfrontiere, wie es wohl wäre, keine Bücher mehr zu schreiben. Bisher bereitet mir die Vorstellung mehr Unbehagen als Glückseligkeit, was ich als gutes Zeichen werte. 

Aber darum soll es jetzt gar nicht gehen, sondern um ein ganz besonderes Event, das in diesen Tagen im Harz stattfindet:

Theaternatur: Que[e]r durch den Wald. 

 

Ich weiß gar nicht genau wie ich auf die Veranstaltung gestoßen bin. Ein wundervoller Zufall, der mich in seinen Bann gezogen und nicht mehr losgelassen hat. Im ersten Moment konnte ich es auch gar nicht richtig glauben. Ein queeres Festival mitten im Harz, das klang beinahe verrückt. 

Ich habe an einem Wochenende gleich drei verschiedene Vorstellungen besucht und war von jeder Darbietung absolut begeistert und beseelt.

Und da wir nicht ständig fahren wollten, haben wir einen Kurzurlaub im Harz, quasi vor der Haustür, verbracht, was ziemlich lustig war. 

Unser erstes Highlight war der "Sommernachtstraum" frei nach Shakespeare, gespielt vom The Metafiction Cabaret Berlin. 

Es war so großartig, dass mir ein bisschen die Worte fehlen. Von der ersten Sekunde an war ich verzaubert. Ein Spiel mit Geschlechterrollen und komplexen zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie starr ist unser Lebensplan und erfüllen wir damit die eigenen oder die Erwartungen von anderen? Mit viel Musik (Lieder, die echte Ohrwürmer sind), Humor und atemberaubender Akrobatik verging die Zeit wie im Flug.

Puk, als Chaosstifterin war einfach nur großartig und führte auf unvergleichliche Weise durch die zauberhafte Nacht. 

Ich weiß nicht wann ich zuletzt dermaßen euphorisch war, aber ich kann es jedem nur empfehlen. Unsere erste Vorstellung wurde leider von einem heftigen Regenschauer unterbrochen, aber die Schauspieler waren verdammt tapfer und haben danach tatsächlich weitergespielt. Es war so kalt und nass, aber das Wetter konnte niemanden vertreiben.  

Deshalb habe ich mir den Sommernachtstraum auch ein weiteres Mal angeschaut und vermutlich würde ich ihn mir auch noch ein drittes Mal ansehen ...

 

Die Vielfalt dieses Theaterfestivals umfasste auch ein Programm für Kinder. Ich habe mir "König und König" angeschaut, da ich das Kinderbuch dazu kannte und neugierig auf die Umsetzung war. Ich habe es geliebt! Die beiden Schauspieler haben mit wenigen Mitteln nicht nur mich, sondern (und das ist ja das Wichtige) die Kinder in ihren Bann gezogen. Die Schauspieler haben quasi auf zwei Ebenen gespielt. Zum einen stand die Frage im Raum, ob ein Junge ein rosa Prinzessinnenkleid anziehen darf. Was macht Männlichkeit aus? Womit dürfen Jungs spielen? Und im Märchen: Was, wenn der Prinz sich nicht in die Prinzessin, sondern in den Prinzen verliebt?

"Was für ein bildschöner Prinz!" Ich seufze immer noch. Vielleicht waren die Kinder ein bisschen erstaunt, aber genau das ist es, was unendlich wichtig ist, was sie sehen und für selbstverständlich erachten sollten ... Wir müssen endlich wegkommen von den überholten rosa und hellblauen Rollenklischees und unseren Kindern zeigen, dass alles möglich ist.

Jedenfalls hatten alle Spaß und haben geklatscht und gelacht und sich für die zukünftigen Könige gefreut. 

 

Und dann gab es noch eine ganz besondere Performance. "Gefährliche Körper" ... ein Stück über HIV und Aids. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass ich das unbedingt sehen wollte. Es war eine Zeitreise durch die Aidskrise mit Musik, Zeitzeugenstimmen, Bildern, Kondomen und natürlich auch mit Prep. Menschen mit HIV werden immer noch stigmatisiert. Ihnen wird immer noch moralisierend begegnet und das, obwohl HIV selbst keine Moral kennt.

Die Darsteller_innen waren großartig. Ich hatte ziemlich oft eine Gänsehaut, die nicht von der Kälte kam.

 

Ich weiß nicht wie oft das Wort "großartig" in meinem Beitrag vorkommt, aber ich könnte es noch einige Male wiederholen. 

Auch abseits der eigentlichen Vorstellungen war das Gelände der Waldbühne Benneckenstein ganz wunderbar und zauberhaft. Eine regenbogenbunte Lichtinstallation, Schilder mit Fragen zum Dasein, Erklärungen queerer Begriffe, und die Möglichkeit sich diversifizieren zu lassen (ein erstaunliches Bild meiner Selbst kam dabei heraus).

Es war so schön und bunt und voller Liebe. Etwas, womit ich tatsächlich nicht mitten im Harz gerechnet hätte. 

Ich danke den Veranstalter_innen auf jeden Fall für dieses Festival und für den Mut, que[e]r durch den Wald einen Teil zur Akzeptanz und Toleranz beizutragen. Es ist schließlich wichtiger denn je. 

 

Einige Tage läuft das Festival noch. Wer also in der Nähe ist, sollte sich die Möglichkeit nicht entgehen lassen: Theaternatur 2021

Und hier könnt ihr mehr über The Metafiction Cabaret erfahren

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Kommentare: 1
  • #1

    Anja L (Dienstag, 17 August 2021 17:58)

    Hallo Karo,

    oh ich beneide Dich, dass Du bei diesem Festival dabei sein konntest. Leider kann ich dieses Jahr nicht mehr dort vorbeischauen, aber das werde ich mir mal im Hinterkopf behalten und vielleicht habe ich ja Glück und es findet nächstes Jahr wieder statt.

    LG Anja

    PS: Ich hoffe, dass Du niemals die Freude am Schreiben verlierst, auch wenn es manchmal anstrengend ist, da ich Deine Bücher einfach liebe und gerne noch weitere lesen möchte.