Es hat geschneit! Gestern hat es den ganzen, langen Tag geschneit. Kleine, weiße Flocken, die für ein weihnachtliches Gefühl gesorgt haben. Ich habe es gemütlich von drinnen beobachtet, denn mein "Winterarbeitsplatz" befindet sich jetzt im Wohnzimmer direkt vor dem Fenster. Ich mag ihn. Offenbar strahlt er viele positive Energien aus und lockt mich jeden Tag, um ein paar Worte zu schreiben und mich wieder wie eine Geschichtenerzählerin zu fühlen.
Vielleicht ist es eine Art Neuanfang, obwohl ich meinen Genre durchaus treu bleiben werde.
Irgendwie wirkt die Welt viel leiser, wenn sie unter einer weißen Schneedecke versteckt ist. Der große Baum vor meinem Fenster ist wie verzaubert. Selbst das kleinste Ästlein hat eine weiße Mütze ...
Hier drin ist es warm. Nicht kuschelig, denn wir halten uns an die empfohlenen 19 Grad, was Kuschelhoodies, dicke Socken und plüschige Decken auf den Plan gerufen hat. Nur auf Lichter verzichte ich nicht. Die meisten Lichterketten funktionieren ohnehin mit Batterien, aber meine Sterne im Wohnzimmer sind einfach viel zu schön, um darauf zu verzichten. Außerdem ist das für mich der schönste Teil der Weihnachtszeit, wenn nach und nach die Lichter angehen (dank Timerfunktion), Kerzen anzuzünden und einen schönen Weihnachtsfilm zu gucken. Lebkuchen und Weihnachtsplätzchen naschen ... Ich habe noch gar keine gebacken!
Für Joseph aus meiner diesjährigen Kalendergeschichte ist das alles nichts. Er versteht den Hype um Weihnachten nicht, und dafür hat er auch einen Grund.
Ich hatte es ja bereits offenbart: Die Geschichte ist nicht neu, sondern schon verdammt alt *lach* Sie war vor vielen Jahren auf meinem alten Blog und auf fanfiktion. Jetzt habe ich sie wiederentdeckt und fand sie immer noch schön. Natürlich hat sie eine kleine Schönheitskur bekommen und sogar ein Cover.
Ich wünsche euch einen schönen Samstag mit den ersten zwei Häppchen "Keine Weihnachtsgeschichte"
1.
«Wir können auf ein wirklich erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken!»
Zufrieden schaue ich in die Runde. Ich bin stolz auf mein Team und darauf, wie prächtig sich meine kleine Computerfirma entwickelt hat.
Eigentlich haben wir selbst heute, am 24. Dezember, genug zu tun. Es warten drei komplette IT-Landschaften für mittelständige Unternehmen, ein Probelauf für eine neue Software und ein paar Wartungsaufträge, die zwischen den Feiertagen erledigt werden müssen. Ich habe mich jedoch dazu entschlossen, lediglich diese Abschlussfeier am Morgen anzusetzen. Offiziell fangen wir erst wieder im neuen Jahr an, nur ich arbeite die Feiertage durch, denn mir bedeutet Weihnachten nichts.
«Ich denke, wir haben allen Grund zur Freude und deshalb habe ich für euch ein kleines Geschenk, das ihr gern als Weihnachtsgeschenk bezeichnen könnt.»
Gedämpftes Gelächter erfüllt den Raum, denn natürlich kennen alle Mitarbeiter meine Einstellung zu diesem speziellen Fest. Oder zu den meisten Festtagen, die sich über das Jahr verteilen.
Ich ziehe die perlmuttfarbenen Umschläge aus einer Mappe, winke damit wild herum und grinse in die Runde. Sogar Weihnachtssticker habe ich gestern gekauft und jedes Kuvert verziert. Als die anderen die Aufkleber bemerken, fangen sie zu lachen an.
«Da hast du dir ja richtig viel Mühe gegeben», sagt Johannes spöttisch.
«Natürlich! Für meine Angestellten ist mir kein Aufwand zu groß. Nicht mal dieser komische Kerl mit dem roten Mantel.»
Es ist mein Zugeständnis und mein Vergnügen, denn ich bin weder der Grinch noch Ebenezer Scrooge, auch wenn ich keinerlei Weihnachtsdekoration in den Büroräumen haben möchte. Für mich hat das alles keine Bedeutung, abgesehen, dass sich Staub darin verfängt, und den können wir nicht gebrauchen.
In den Umschlägen befinden sich die Bonusschecks des Jahres. Sie sind nur symbolisch, denn das Geld habe ich längst auf die Konten überwiesen.
Getuschel und Geraune erfüllt den Raum, dabei dürfte den meisten doch nicht entgangen sein, wie außerordentlich erfolgreich dieses Jahr gelaufen ist.
2.
«2022 war unser Jahr!», stellt Mark begeistert fest.
Johannes schnappt sich eine der Champagnerflaschen und lässt den Korken mit einem lauten Knall aus der Flasche springen. Eine goldene Fontäne sprudelt augenblicklich hervor. Alle halten eilig ihre Gläser hin, um eine größere Sauerei zu vermeiden. Auch ich trinke einen Schluck, obwohl Alkohol ebenfalls zu den Sachverhalten gehört, von denen ich mich fernhalte. Nicht mehr so streng wie früher, aber nach dem ersten richtigen Rausch vor ein paar Jahren und den unangenehmen Folgen am nächsten Tag lasse ich besser die Finger davon.
Ich habe beim besten Caterer der Stadt ein exquisites Frühstück in Auftrag gegeben und eröffne ohne Umschweife das Büffet. Obwohl ich keine weihnachtliche Ausrichtung bestellt habe, entdecke ich kleine Blätterteigteilchen in Weihnachtsbaumform und Bananenweihnachtsmänner mit Erdbeerhütchen. Tomaten- und Mozzarellascheiben sind wie eine Zuckerstange angeordnet und der Eiersalat hat ein Schneemanngesicht.
Es dauert nicht lange, dann sind alle mit Essen und Trinken beschäftigt. Private Gespräche vermischen sich mit geschäftlichen. Es werden lustige Anekdoten und anzügliche Witze erzählt. Wir sind nicht nur ein eingespieltes Team, sondern eine Familie. Die Einzige, die ich habe. Ich weiß das Vertrauen meiner Mitarbeiter zu schätzen. Nur selten fühle ich mich als Chef, sondern sehe mich eher als ein Teil des Teams. Wir treffen die meisten Entscheidungen gemeinsam. Der Erfolg gibt uns recht und nur das zählt.
Trotzdem ist mir der Graben zwischen uns bewusst. Ich spüre die aufgeregte und nervöse Stimmung, aber ich kann sie nicht nachvollziehen. Dafür gibt es natürlich einen triftigen Grund: Meine Eltern sind Zeugen Jehovas und tief in dieser Glaubensgemeinschaft verwurzelt. Als Kind habe ich nicht darüber nachgedacht, die religiöse Überzeugung nicht hinterfragt. Es war meine Normalität, die sich von denen der anderen in erster Linie darin unterschied, dass wir weder Weihnachten noch Geburtstage oder Ostern gefeiert haben. Das sind alles heidnische Bräuche, die nichts mit den Lehren der Bibel zu tun haben. Bis heute kann ich die Begeisterung für einen Mann im roten Mantel und einem Tannenbaum in der Wohnung nicht verstehen. Ganz zu schweigen davon, dass Jesus nicht am 25. Dezember geboren wurde und eine Geburt bzw. Geburtstage grundsätzlich kein Grund zum Feiern sind.
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Karin Bill (Samstag, 03 Dezember 2022 14:52)
Juchu.
Ich liebe es und ich freue mich, wieder dabei sein zu dürfen.
Danke, dass Du uns die Zeit versüßt ♥️
Piccolo (Sonntag, 04 Dezember 2022)
Liebe Karo, ich wünsche einen schönen 2. Advent und danke für die Geschichte.
Ich kann mich leider nicht mehr an sie erinnern und lese sie dafür jetzt umso lieber.
LG Piccolo