Die Adventszeit ist eigentlich auch eine Zeit der Besinnlichkeit. Bei mir eher nicht, denn ich arbeite/schreibe so viel, wie im ganzen Jahr nicht ... erstaunlicherweise!
Aber hin und wieder ein bisschen Reflexion ist ja nicht verkehrt. Obwohl ich kein gläubiger Mensch bin, spüre ich doch diesen besonderen weihnachtlichen Zauber. Die Vorfreude, das Gefühl einer besonderen Zeit, die Aufregung. Der kirchliche Aspekt ist da eher wie eine süße Geschichte (sorry), ebenso wie die heidnischen Rituale. Weihnachten zu feiern gehört bei mir zu den internalisierten Wertvorstellungen. Ich mag mir nicht vorstellen, dass es eine Zeit oder Umstände geben könnte, die mich dazu bringen, Weihnachten zu ignorieren. Und so laufe ich mit einem "fröhliche Weihnachten" auf den Lippen herum und vergesse viel zu oft, dass nicht für jeden Menschen diese Zeit so fröhlich und besinnlich und besonders ist.
In diesem Jahr habe ich viel über wertschätzende Kommunikation gelernt und nachgedacht. Ich gebe zu, dass mir vieles davon nicht leicht fällt und ich vermutlich auch nur in seltenen Fällen davon gebrauch machen kann oder werde. Es ist kompliziert, neue Sprachmuster zu verinnerlichen, aber nicht unmöglich.
Vielleicht liegt es an meiner diesjährigen Adventskalendergeschichte, dass ich auch ein bisschen über den Tellerrand geschaut hat. Allein in Deutschland gibt es über 18 Millionen erwachsene Menschen, die Weihnachten nicht feiern. Womöglich sind es noch mehr, mit verschiedensten Gründen. Nicht zu vergessen, dass andere Religionen im Dezember auch große Feiertage haben, die hinter den vielen Weihnachtsmännern, Lichterketten und Weihnachtssongs in den Kaufhäusern, Supermärkten und Weihnachtsmärkten beinahe unsichtbar für uns sind. Ich weiß so gut wie nichts darüber, wie Juden Chanukka feiern.
Deshalb schicke ich an dieser Stelle einen lieben Jahresendgruß an alle Menschen, für die diese Feiertage bedeutungslos, schmerzhaft oder traurig sind. Ihr seid nicht allein oder vergessen. Vielleicht könnt ihr euch an den freien Tagen erfreuen, an der Tatsache, dass ein Jahr zu Ende geht und ein neues beginnt, das hoffentlich eine Vielzahl an Möglichkeiten und Chancen bereithält.
Nach so vielen mehr oder weniger tiefen Gedanken kommt hier die Auslosung:
Gewonnen hat:
Karin Bill
Herzlichen Glückwunsch!
schick deine Adresse bitte an nachricht[at]karostein.de
12.
Mein besoffener Weihnachtsmann macht es sich auf dem Sofa bequem und schläft augenblicklich ein. Ich hole eine Decke, die ich halbherzig über ihn werfe, betrachte den schlafenden Mann eine Weile und gehe in die Küche, um eine Pizza in den Ofen zu schieben. Die habe ich mir nach dem unerwarteten Stress redlich verdient.
Ich setze mich an den Tisch und klopfe nervös mit den Fingern auf die Holzplatte. Immer wieder starre ich das Sofa an, dass wie ein dunkler Schatten aufragt. Ich lausche in die Stille, die nur von leisem Schnarchen unterbrochen wird. Ein ungewohntes Geräusch, da ich fast immer allein bin.
Wenn ich mir mal einen One Night Stand erlaube, dann nicht hier. Ich mag fremde Männer nicht in meinem Haus und schon gar nicht in meinem Bett. Es gefällt mir besser, wenn ich nach dem Sex verschwinden kann, als darauf zu warten, dass sich der andere an die stillschweigende Etikette hält und nach dem Orgasmus abhaut.
Ich gehe ohnehin nur selten aus. Da ist immer noch eine Stimme in mir, die mich daran erinnert, wie sündhaft mein Leben ist. Dieses Gefühl ist tief verwurzelt, sodass es mich stets eine Menge Überwindung kostet, meine Bedürfnisse, aber vor allem meine Neugier zu stillen. Ich muss mich mit der Scham am nächsten Tag auseinandersetzen. Diese schnelle Art der Befriedigung ist es meist nicht wert, den anstrengenden Kampf mit mir selbst auszutragen.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich es jemals schaffe, einen Mann in mein Leben zu lassen. Dabei sehne ich mich durchaus nach Liebe, nach einem Menschen an meiner Seite, dem ich vertrauen kann und bei dem ich mich geborgen fühle. Meine Vergangenheit macht aus mir nur leider keinen besonders einfachen Mann. Womöglich ist das Schuldgefühl viel zu tief verwurzelt, um mein Herz zu öffnen.
Ich kann nicht ergründen, was mich dazu bewogen hat, diesen betrunkenen Kerl mit nach Hause zu nehmen. Dem Weihnachtsmann ein Nachtquartier anzubieten, entspricht überhaupt nicht meiner vernünftigen Handlungsweise.
Die Pizza ist fertig. Ich hole sie aus dem Ofen und setze mich zurück an den Tisch. Es duftet appetitlich nach Käse und Salami. Ich zünde eine Kerze an und beginne zu essen. Leider habe ich den Teller vom Büffet im Auto vergessen, aber ich mag nicht noch mal nach draußen.
Dieser Weihnachtsmann bringt alles durcheinander.
13.
Nachdem ich die Pizza aufgegessen habe, bleibe ich noch eine Weile gedankenverloren sitzen. Die ungewohnten Geräusche von der Couch machen mich nervös und wecken eine Sehnsucht, die mir unheimlich ist.
Ich stehe auf, räume den Teller in die Spülmaschine und bleibe einen Moment unschlüssig stehen. Normalerweise könnte ich einfach ins Bad gehen, aber ich kann nicht widerstehen, ihn mir noch einmal anzusehen.
Leise gehe ich hinüber. Es ist verdammt dunkel, obwohl der Mond inzwischen nicht mehr von Wolken verdeckt wird. Fahles, hellgelbes Licht sorgt für seltsame Schatten. Ich höre die Glocken der Kirche, die sich nur eine Straße weiter befindet. Ich habe sie einmal besichtigt, aber ich konnte keine Verbindung zu Gott dort drin fühlen. Mein Glaube ist in mir, denn am Ende muss ich mich ganz allein verantworten und mein Leben rechtfertigen.
Ich betrachte den Mann, dessen Namen ich nicht mal kenne. Er trägt immer noch die rote Mütze mit dem flauschigen weißen Rand. Ein paar Haarsträhnen blitzen unter der Mütze hervor. Sein Gesicht wirkt friedlicher und nicht mehr so zornig. Schwer schluckend kämpfe ich dagegen an, meine Hand auszustrecken, um ihn zu berühren. Wie sich seine Haut wohl anfühlt?
Ein Arm hängt schlapp vom Sofa herunter. Die Decke klemmt seltsam zwischen seinen Beinen. Offenbar war ihm wohl zu warm. Ein Streifen nackter Haut oberhalb des Hosenbundes erregt meine Aufmerksamkeit. Erneut zucken meine Finger, sodass ich beide Hände in den Hosentaschen vergrabe.
Er ist nicht, was ich suche, denn er steht auf Frauen und hat wohl eine Menge Drama erlebt.
Seufzend gehe ich ins Bad. Ich bin erregt und aufgewühlt, sodass ich mir eine heiße Dusche gönne. Unter der Flut des warmen Wassers hält mich sein Blick gefangen … kommt sein Mund näher … höre ich ihn stöhnen.
Ich berühre mich selbst, reibe mich schnell und stelle mir vor, er wäre hier bei mir, mit diesem roten Mantel und der Mütze ...
Das Wasser spült den Beweis meines schamlosen Verhaltens weg, bevor das schlechte Gewissen mich überfällt. Eilig gehe ich ins Bett. Es dauert eine Ewigkeit, bis ich einschlafe, weil sich immer wieder Bilder in meinen Kopf schieben, wie der Weihnachtsmann plötzlich auf meiner Motorhaube lag. Ich fühle dieses unbändige Kribbeln, lausche auf die Geräusche aus dem Wohnzimmer, drifte weg und schrecke auf, weil undefinierbare dunkle Schatten an mir zerren. Teufelsfratzen, die sich über mich beugen und mein Seelenheil bedrohen. Donnernde Worte, scharf wie Messerspitzen der Ältesten und meiner Eltern.
Träume dieser Art hatte ich lange nicht mehr.
14.
Es ist erst sieben Uhr, aber ich halte es keine Sekunde länger im Bett aus. Ich brauche Kaffee und Ablenkung. Zum Glück habe ich genügend Arbeit, die ich von zu Hause erledigen kann.
Nach einer schnellen Dusche ziehe ich bequeme Klamotten an und gehe in die Küche. Neugierig werfe ich einen Blick auf den ungewollten Gast. Die Mütze ist ihm vom Kopf gerutscht, sodass seine dunklen Haare wild in alle Richtungen abstehen. Jetzt hat er die Decke bis zum Hals hochgezogen. Er scheint fest zu schlafen.
Ich befülle die Kaffeemaschine und atme genüsslich den Duft der Kaffeebohnen ein.
Kaum halte ich eine volle Tasse in der Hand, höre ich tapsende Geräusch und ein Räuspern hinter mir. Ich drehe mich um. Ziemlich zerknautscht und mit wirrem Blick lehnt der Weihnachtsmann am Küchentisch.
«Guten Morgen.»
Er wirkt, als wüsste er weder, wer ich bin, noch wo er sich befindet.
«Joseph?», fragt er und runzelt nachdenklich die Stirn.
«Stimmt. Du bist gestern auf meiner Motorhaube gelandet. Erinnerst du dich?»
«Es ist ein bisschen verschwommen ... Oh Mann, ich hoffe, ich habe dein Auto nicht demoliert.»
«Dem Wagen geht es gut, aber ich habe dich hoffentlich nicht demoliert», erwidere ich, gehe ein paar Schritte auf ihn zu und betrachte ihn genauer.
Das sollte ich nicht tun, denn sein Anblick raubt mir die Sinne. Obwohl sein Blick unstet ist, strahlen seine Augen blau wie Saphire. Er leckt sich über die Lippen, die ein bisschen blass sind, aber trotzdem zum Küssen einladen. Es kribbelt in meinem Unterleib, sodass ich eilig den Abstand zwischen uns wieder vergrößere.
«Mein Kopf explodiert gleich», jammert er und reibt sich über die Stirn. Ich hole Aspirin aus einer Schublade und reiche ihm ein Glas Wasser dazu.
«War wohl ein bisschen viel Alkohol gestern Abend.»
«Nicht genug», nuschelt er, bevor er die Tabletten hinterschluckt und das Glas in einem Zug austrinkt.
«Wie heißt du eigentlich?»
«Marian.»
Ich starre ihn verwundert an. Gestern hatte er zwar was von Maria genuschelt, aber doch nur wegen meines Namens, oder?
«Ist das ein Scherz?»
Zuerst sieht er mich irritiert an, aber dann grinst er und und schüttelt den Kopf.
«Joseph und Marian. Am Weihnachtsmorgen. Wenigstens hast du mich nicht geschwängert.» Er beginnt zu lachen.
«Das hat Joseph ohnehin nicht», gebe ich zu bedenken.
«Wäre vielleicht bei uns eine interessante Geschichte.»
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Karin Bill (Samstag, 17 Dezember 2022 13:37)
Juchuuuuu.
Vielen lieben Dank ��
Da freue ich mich sehr!
Fröhliche Weihnachten sind das jetzt schon!
Anja Hoffmann (Samstag, 17 Dezember 2022 14:21)
Herzlichen Glückwunsch Karin Bill. �
Dir, liebe Karo, vielen Dank für deine schönen Worte. Du sprichst mir zum Teil aus dem Herzen. Einen schönen Samstag.
LG Anja
Piccolo (Samstag, 17 Dezember 2022 18:22)
Hallo Karo,
das war ein schönes Türchen heute. Joseph ist ganz fasziniert von seinen Weihnachtsmann. Vielleicht ist er ja der richtige Mann für ihn.
Herzlichen Glückwunsch von Karin Bill.
LG Piccolo
Claudia Clemens (Sonntag, 18 Dezember 2022 09:04)
Vielen Dank für deine schönen Worte. Derzeit empfinde ich vieles einfach anstrengend. Weihnachtsstimmung kommt nur selten auf. Gerade, beim Lesen, war so ein angenehmer Moment. Hierfür vielen Dank. Ich freue mich auch sehr über die Geschichte.