Da ist es schon, das erste Adventswochenende!
Herzlich willkommen zum diesjährigen Weihnachtskalender mit einer neuen kleinen Kurzgeschichte.
In diesem Jahr liegt der erste Advent nicht vor dem ersten Dezember, sodass ihr auch sofort loslesen könnt.
Zuvor kommen natürlich die allseits beliebten und superwichtigen Fragen: Habt ihr schon Plätzchen gebacken? Ein Lebkuchenhaus gebastelt und alles perfekt dekoriert?
Ich kann im Übrigen (vermutlich auch wie in jedem Jahr) alle drei Fragen mit nein beantworten. Dafür habe ich mein Weihnachtsbuch beinahe fertig, eine Kurzgeschichte vorbereitet und mir gestern zum Weltaidstag meine Schleife und meinen rosafarbenen Teddy abgeholt. Und damit war ich zumindest schon mal auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg.
Ich wünsche euch einen wundervollen Samstag!
Der Duft von Lebkuchen und Liebe
1.
»Bitte Marie, ich will da nicht hin. Es gibt bestimmt einen anderen, den ihr kurzfristig...«
»Das wäre wohl etwas sehr kurzfristig«, erwidert sie mit einem schiefen Lächeln. »Wir hatten das doch alles bereits geklärt. Es ist nur für diesen einen Monat. Am zweiten Januar bist du wieder hier.«
»Ein Monat«, grummle ich und reibe mir über den Nacken. »Ein verdammt langer Monat, in dem ich ... Was mache? Eben habe ich allein darüber entschieden, ob das Startup-Unternehmen zukunftsträchtig ist und einen Kredit von 150.000 Euro von uns bekommt und ab Montag zahle ich Oma Müller 20 Euro von ihren Uraltsparbuch für ihr Enkelkind aus.«
»Das ist auch wichtig«, behauptet sie ernst, steht auf und kommt um den Schreibtisch herum. »Du weißt, dass es viel mehr als das ist. Wir haben doch alles besprochen.«
»Es kommt mir vor, als wäre ich in einem verdammten Hallmark Film. Ausgerechnet zu Weihnachten muss ich in die alte Heimat zurückkehren und erlebe ein ...«
»Ein echtes romantisches Weihnachtswunder«, vollendet sie meinen Satz, was mich zum Fluchen bringt.
»Das wird ganz bestimmt nicht passieren. Ich brauche keine Romantik und ich will vor allem nicht zurück. Verdammt!« Trotzdem ploppen sorgsam verdrängte Bilder meiner Heimatstadt in meinem Kopf auf.
»Wir drehen uns im Kreis, Henry. Du hast doch längst zugesagt. Wir haben ein nettes Hotelzimmer für dich gemietet. Die Filiale erwartet dich am Montag. Was ist auf einmal los?«
»Nichts«, erwidere ich und schüttle resigniert den Kopf. »Ich dachte, ich versuche es noch mal. Vielleicht hast du spontan Mitleid mit mir und überlegst es dir anders.«
»Das wird nicht passieren«, antwortet sie und schaut mich streng an. Bis eben war es ein freundschaftliches Geplänkel, aber nun ist sie genervt und zeigt mir, wer hier der Boss ist. Zurecht. Ich weiß, wann ich eine Diskussion endgültig verloren habe. Vier Wochen. Vier verdammte Wochen. Die werde ich schon überleben.
2.
Mein Herz rast mindestens so schnell wie mein Auto, das ich über die Autobahn jage. Ich kann nicht fassen, dass ich tatsächlich nach acht Jahren zurückkomme. Nicht im eigentlichen Sinn, denn es ist kein Zurück zur Familie oder zu Freunden. Ich hoffe sogar, dass ich in den nächsten Wochen niemanden begegne, den ich kenne.
Ich lache bitter auf, denn der Gedanke ist absurd. In einem Ort mit knapp 25.000 Einwohnern ist die Chance, niemanden zu treffen, recht gering. Obendrein hat der Buschfunk immer gut funktioniert.
Zum Glück ist die Straße frei. Im Radio dudelt bereits das fünfte Weihnachtslied, dabei habe ich kaum einhundert Kilometer zurückgelegt. Seufzend reibe ich mir über die Augen. Ich weiß schon jetzt, dass ich jeden einzelnen Tag verabscheuen werde. Zurück ... das fühlt sich vollkommen surreal an.
Ich trete aufs Gas und hole alles aus meinem kleinen Flitzer heraus. Der Motor surrt zufrieden. Schon lange durfte er nicht mehr dermaßen schnell fahren. Blind taste ich auf dem Beifahrersitz und finde einen Schokoriegel. Zufrieden beiße ich hinein. Der Geschmack von Karamell breitet sich auf meiner Zunge aus. Zimt und Mandeln sorgen für ein weihnachtliches Aroma. Die dunkle Schokolade schmilzt in meinem Mund und gibt mir ein Gefühl, dass alles gut werden wird. Süßigkeiten sind ein furchtbares Laster, aber ich jogge zum Ausgleich.
Auf dem blauen Hinweisschild steht der Name, den ich schon so viele Jahre nicht mehr ausgesprochen oder gelesen habe. Noch eintausend Meter bis zur Ausfahrt. Ich bremse, blinke rechts, spüre ein unheimliches Kribbeln im Bauch. Am liebsten würde ich spontan den Lenker herumreißen und einfach weiterfahren. Immer geradeaus, irgendwohin, nur nicht nach Hause. Die Vernunft treibt mich jedoch über vertraute Landstraßen, durch festliche geschmückte Dörfer, dann passiere ich das Ortseingangsschild. Ein großes Plakat hängt quer über der Straße.
»Willkommen in der Adventsstadt!«
Der Weg zum Hotel ist gesäumt mit weihnachtlichen Ornamenten, die an Laternen hängen. Anstatt Blätter tragen die Bäume am Straßenrand Lichterketten. Die kleinen Lämpchen funkeln wie Diamanten in der Dämmerung.
Schon von weitem erkenne ich das übertrieben geschmückte, aber liebevoll restaurierte Haus, das mit seinen runden Türmen wie ein kleines Schloss aussieht. Bevor ich weggegangen bin, war es eine Ruine.
Ich rolle auf den dazugehörigen Parkplatz, schalte den Motor ab und atme tief durch.
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Renke (Samstag, 02 Dezember 2023 09:56)
Hallo Karo, das startet doch wieder prima, freue mich darauf jeden Tag mehr von der Geschichte zu entdecken. Danke, dass du mir immer die Adventszeit versüßt ☺️
Ich habe die Wohnung geschmückt, aber muss mich noch um einen Adventskranz kümmern �, hab ja noch bis morgen Zeit. Gebacken habe ich noch nicht. Ich freue mich auf den Rest der Geschichte.
Liebe Grüße Renke
Piccolo II (Samstag, 02 Dezember 2023 17:43)
Guten Abend Karo,
Henry ist ja sehr begeistert von seiner neuen Aufgabe, was auch immer sie ist. Dabei ist es weniger die Aufgabe, als viel mehr der Ort, wo er hin muss. Seine Heimat, der er vor vielen Jahren den Rücken gekehrt hat. Wollen wir doch mal sehen, ob der Advents- und Weihnachtszauber nicht doch noch Henry überzeugen kann.
LG Piccolo
Anja Hoffmann (Sonntag, 03 Dezember 2023 09:49)
Hallo liebe Karo,
danke für den tollen Adventskalender, welcher mir wieder jeden Tag versüßen wird, und dass ganz ohne Hüftgold �.
Ich persönlich bastle nie Lebkuchenhäuser, da die von unserer Familie nicht gegessen werden und wir es ansonsten für Verschwendung halten. Ob ich nächstes Wochenende noch etwas backe, steht bei mir noch etwas in den Sternen.
Aber da ich in Sachsen wohne, konnte ich am Buß und Bettag alles dekorieren.
Hab einen schönen 1. Advent.
LG Anja